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Blume

„I bin doch scho normal, viellicht nit ganz so, aber doch normal“.

Diese Aussage eröffnete mir meine 95-jährigen Mutter heute mit einem verschmitzten Lächeln, während sie mit zittrigen Händen versucht noch die letzten Reste ihres Zitronen-Joghurts auszulöffeln. Man muss wissen, dass sie zum Glück (noch) nicht dement ist, einfach nur sehr vergesslich. Wir sprachen davor über psychisch kranke Menschen und deren zum Teil unermessliches Leid, und auch darüber, dass sich dieses auf das familiäre Umfeld überträgt. Das Gespräch hat sie stark berührt, und sie wurde wieder geistig hellwach wie zu früheren Zeiten. Das sind immer wieder Freudenmomente für uns, das erleben zu dürfen. Die meiste Zeit ist sie ja gezwungen, in halb sitzend-liegender Position das öde Fernseheprogramm anzuschauen, denn fürs Lesen von Büchern reicht ihre Kraft nicht mehr aus. Und so erinnerte ich mich wieder an eine Frage, die ich einst an einen Dozenten im Psychologistudium stellte. „Ist es normal, dass ich manchmal zweifle, dass ich normal sei?“ Die Antwort des erfahrenen Psychiaters hat mir sehr gut getan. „Ja, das ist sogar sehr normal“, sagte er, „den psychisch schwer gestörte Menschen, vermögen dies nicht zu reflektieren. Sie sind felsenfest überzeugt, dass sie zu 100% richtig lägen.“